Nie wieder
„Nie wieder solle so etwas geschehen“. Darin war sich die Gruppe von 19 Personen im Alter zwischen 14 und 83 Jahren einig. Sie hatten an einer Exkursion des Träger- und Fördervereins ehemalige Synagoge Obernbreit mit der Referentin Lilli Schlumberger-Dogu teilgenommen. Im Anblick des Eingangstores mit der bekannten zynischen Schrift „Arbeit macht frei“ erklärte sie nicht nur die Anlage und Funktion der Gebäude, sondern analysierte auch die von Himmler als beispielhaft für alle Konzentrationslager verbindlich gemachte „Dachauer Ordnung“. Die dort festgeschriebenen Ordnungsmaßnahmen lassen einen frieren bei 30°. Sie ist darauf angelegt, die Persönlichkeit des Gefangenen zu zerstören: Eine Nummer statt eines Namens, Strafstehen bei Hitze bis zum Umfallen, entwürdigende Prozeduren bei der Aufnahme, Auspeitschen bei geringen „Vergehen“, Hetzen von auf den Mann dressierten Hunden bei „Fluchtversuchen“.
Von den Vitrinen, die an Stelle der dort ursprünglich stehenden Tischen aufgebaut sind, hätte man am liebsten ehrfurchtsvoll Distanz gehalten, wenn es bei dem Andrang möglich gewesen wäre. Denn dort wurde den Häftlingen jeder persönliche Besitz und alles, was an ihre frühere Existenz erinnern konnte, abgenommen.
Am bekannten von Nandor Glid gestalteten Mahnmal erklärte Frau Schlumberger-Dogu die nicht von jedem auf Anhieb erfühlte Dramatik der Plastik. Symbolisch sind menschliche Skelette in unnatürlichen Verrenkungen zwischen Seilen und Pfählen dargestellt zum Andenken an die Inhaftierten, die bei Fluchtversuchen im Elektrozaun zu Tode kamen. Am Ausgang des Mahnmals dann in fünf Sprachen die Botschaft – Mahnung NIE WIEDER.
Nie wieder soll das versucht werden dürfen, was in Dachau gelungen ist: Die Entmenschlichung des Menschen. Psychisch durch Erniedrigung der Gefangenen, Perversion der Funktionshäftlinge zu Helfern und physisch durch Töten, zu Tode foltern und „in den Draht gehen“ aus Verzweiflung.
Kommentar aus der Gruppe: „Es war ein sehr bewegender und beeindruckender Rundgang.“ Ja, NIE WIEDER soll so etwas geschehen. Und doch: Warum lässt sich der Vers Bert Brechts aus dem Epilog zu Arturo Ui ausgerechnet in diesem Zusammenhang nicht aus dem Bewusstsein verdrängen:
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ ?