Ein würdiger und bewegender Holocaust Gedenktag in Obernbreit

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Die evangelische Kirchengemeinde Obernbreit, der Arbeitskreis Ge(h)wissen Iphofen und der Träger- und Förderverein ehemalige Synagoge Obernbreit hatten zum Holocaust Gedenktag nach Obernbreit eingeladen.
Eröffnet wurde der Abend in der ehemaligen Synagoge. Hier, an dem Ort des Gedenkens und Erinnerns wurden die knapp 70 Besucher eingestimmt auf das Anliegen des nationalen Gedenktages. Die gemeinsamen Wurzeln von Juden und Christen wurde betont durch das Lesen des 86. Psalms auf Deutsch und teilweise in der Originalsprache Hebräisch. Besonders die erstaunlich zahlreich erschienenen Jugendlichen zeigten mit ihrer Anwesenheit, dass sie das Erinnern nicht den Alten überlassen werden.

Schweigsam und mit brennenden Kerzen zogen die Teilnehmer zum Rathaus nach einem kurzen Halt vor dem Anwesen, in dem die Brüder Sänger, Leopold und Rudolf, bis unmittelbar vor ihrer Deportation nach Theresienstadt gewohnt hatten.
Im Mittelpunkt der Andacht im Erdgeschoss des Rathauses stand das Gedenken an die Mitbürger jüdischen Glaubens aus Obernbreit. In einer wechselseitig gelesenen Textcollage stellten Jugendliche dar, wie die bis dahin geachteten Juden synchron mit den Vorgängen im Reich auch in Obernbreit ausgegrenzt und gedemütigt wurden. Man kaufte nur noch heimlich bei ihnen: "Ich ging nicht gerne hin, weil es in der Schule hieß, man soll nicht beim Juden kaufen."
Auch am Ortseingang von Obernbreit standen Tafeln mit der Aufschrift: "Juden sind hier unerwünscht" [und] "Wer mit Juden verkehrt ist ein Volksverräter." Am "Rollladen . . . Sänger [waren] die Worte Judensau Hund u.a. . . . angeschmiert". In einem amtlichen Schreiben wurde jemand nach Erlass der Nürnberger Gesetze als "bluts- und rassefremdes Element" herabgewürdigt. (Alle Zitate Aussagen von Zeitzeugen oder aus Akten der Gestapo.)

Sichtlich bewegt folgten die Besucher dem Vortrag der Jugendlichen.
Die Lesung war integriert in die eigentliche Andacht. Pfarrerin Bromberger und die Pfarrer Rasp und Walz lasen Schuldbekenntnis, einen biblischen Hoffnungstext und Fürbitten mit Gebeten um Vergebung, für Frieden, Toleranz und Menschlichkeit im täglichen Leben.
Die mitgebrachten Kerzen wurden schließlich vor einer Pinwand abgestellt, an der auf drei Blättern die Namen derer geschrieben waren, von denen bekannt ist, dass sie bis unmittelbar vor ihrer Deportation in Obernbreit lebten. Ein leeres Blatt erinnerte an die jüdischen Mitbürger Obernbreits und umliegender Orte, über deren Schicksal noch nichts bekannt ist.
Vor dem gemeinsamen Vaterunser und dem Lied Hevenu shalom aleichem verlas Ulla Wirsing ein Grußwort von Anna Prestes aus Rio de Janeiro. Frau Prestes ist die im Gefängnis geborene Tochter von Olga Benario. Ihre Mutter wurde 1942 wegen ihrer politischen Gesinnung ermordet. Sie besuchte 2008 Obernbreit und schrieb:

"Liebe Freunde in Obernbreit,
ich erinnere mich mit großer Dankbarkeit an den Empfang, den Sie mir in Obernbreit, dem Ort, aus dem die Vorfahren meiner Mutter stammen, bereitet haben. Ich war sehr beeindruckt von Ihrer Gastfreundschaft und besonders von der Entschlossenheit, mit der Sie gegen das Wiederaufleben faschistischer Tendenzen in Deutschland und Ihrer Region kämpfen. Ich habe große Hochachtung für Ihr so wichtiges Engagement und ich wünsche und hoffe, dass Ihre Aktivitäten für den Holocaust Gedenktag im Januar ein großer Erfolg werden.
Herzliche Grüsse
Anita Prestes"

Auf Einladung des Marktes Obernbreit gingen die Teilnehmer dann in den Bürgersaal, um den bewegenden Abend mit Gesprächen und Erinnerungen ausklingen zu lassen.