Ausgegrenzt, verfolgt, getötet – Fränkische Juden im Mittelalter

Vortrag Veranstaltungen

Zur ersten Veranstaltung nach dem Lockdown – einem Vortrag von Dr. Wolfgang Weiß von der Uni Würzburg – konnte der Vorsitzende des Träger- und Fördervereins ehemalige Synagoge Obernbreit e.V., Dr. Jürgen Scherer, knapp 40 Gäste in der ehemaligen Synagoge begrüßen. Der Referent eröffnete seinen Vortrag “Ausgegrenzt, verfolgt, getötet“ mit dem Hinweis, dass er über traurige Ereignisse bezüglich der Juden im mittelalterlichen Franken berichten werde.

Es waren Flüchtlinge, die als erste Juden Ende des 11. Jahrhunderts aus den rheinischen Städten nach Franken kamen, geflohen vor den dortigen Pogromen zu Beginn des ersten Kreuzzuges. Hier erlebten sie Phasen von Duldung mit Ausgrenzung und Verfolgung.

Prof. Weiß referierte nicht nur über die Ereignisse, sondern analysierte auch die Hintergründe. Drei Motive leiteten die geistlichen und weltlichen Landesherren, die Juden zeitweise in Parallelgesellschaften zu dulden: Diese „Bürger“ waren Einnahmequellen (Sondersteuern, Schutzbriefe), die christliche Ethik verpflichtete zur Nächstenliebe und nach biblischer Überlieferung mussten vor dem Jüngsten Gericht die Juden Christen sein.

Nur allzu oft wurden alle diese Grundsätze ignoriert und aufgrund von fake news Motive für Pogrome erfunden: Ein ungeklärter Leichenfund in England wurde den Juden zugeschrieben, die den Jungen ermordeten, um sein Blut für Ritualzwecke zu verwenden. Diese Lügengeschichte bildete die Grundlage vieler Pogrome wegen angeblicher Verbrechen der Juden auch in Unterfranken. Hostienfrevel war eine weitere Anklage. Hier sollten die Ungläubigen eine Hostie, also den Leib des Herrn zerschnitten haben. Eine besonders brisante Mischung entstand, wo sich wirtschaftliche Interessen mit solchen Lügen verbanden. So in Unterfranken, wo die verarmten Kleinadeligen in den Personen Rintfleisch und Armleder mit dem aufgepeitschten Mob Hunderte von Juden in den Dörfern hinmetzelnden. Natürlich waren die Nichtchristen auch Schuld an der Pest, weil sie die Brunnen vergiftet hatten. Wobei in Würzburg die erste Anklage mit entsprechenden Folgen bereits mehrere Jahre bevor die Pestwelle die Stadt erreichte, erhoben wurde. An der Stelle der niedergebrannten Synagoge wurde die Marienkapelle errichtet. Eine späte, unblutige Variante der Verfolgung ist die Vertreibung aus den Bischofs- und Reichsstädten, weil die Landesherren ethnisch und später auch konfessionell einheitliche Untertanen haben wollten, was die Geburtsstunde des Landjudentums markiert.

Prof. Wolfgang Weiß schloss seinen Vortrag: „Mit 'Ausgegrenzt, verfolgt, getötet' ist mein Vortrag überschrieben. Diese Adjektive charakterisieren die tragische Geschichte der Juden im christlichen Franken des Mittelalters. Die Ereignisse sind zweifelsfrei schlimm; aber wer hat nach Aufklärung und Judenemanzipation im 19. Jahrhundert erwarten können, dass es im 20. Jahrhundert noch schlimmer kommen konnte. Es lässt sich daher nie genug erinnern, an das was war, und nie genug warnen und mahnen, dass es nie wieder kommt.“