Abend des Gedenkens in Obernbreit

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Es gibt viele Möglichkeiten, den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zu gestalten: feierliche Reden, Auftritten der letzten Zeitzeugen, Vorträge von Historikern und vieles andere.
Der Träger- und Förderverein ehemalige Synagoge Obernbreit e.V. versuchte einen anderen Weg: In einem Feature stellten Mitglieder des Vereins die Persönlichkeiten zweier jüdischer Bürger, die 1942 aus Obernbreit deportiert wurden, vor. Die wenigen vorhandenen Quellen zu den betroffenen Personen wurden ergänzt durch das Einblenden einer Wochenschau vom September 1942 und Ansichten, wie der Ort damals ausgesehen hat. Das Klassenfoto aus demselben Jahr diente nicht zur Illustration sondern wurde kommentiert, dass von den Schülern sechs aus Familien kamen, die bereits Gefallene betrauerten. Die Rassegetze und deren Folgeerlasse waren nicht abstrakte Paragraphen sondern bewirkten, dass die Brüder einen Judenstern tragen mussten. Rudolf Sänger hieß nun Rudolf Israel Sänger und sein Bruder Leopold Israel Sänger. Eine Einkaufsfahrt nach Würzburg hatte ein protokolliertes polizeiliches Verhör und eine Gefängnisstrafe zur Folge. Wer behauptete, der Bürgermeister habe einen Kragen bei den Sängers gekauft, wurde angeklagt.
„Ein Jude verliert die deutsche Staatsangehörigkeit. . . wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt [. . ,. ] im Ausland nimmt. Das Vermögen des Juden, der die deutsche Staatsangehörigkeit {. . . ]verliert, verfällt dem Reich“. Konsequenz dieses Zynismus: Ihr Haus „verfiel“ dem Reich, denn sie wurden nach Theresienstadt deportiert. Das lag im Protektorat Böhmen und Mähren. Die Deportation dorthin war eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland.
Sie starben dort nach zwei bzw. drei Monaten.
Nach Ende der Gedenkveranstaltung verließ kaum jemand den Saal des Rathauses. In anschließenden Gesprächen wurden von älteren Oberbreitern tradierte Erinnerungen an die Sängers ausgetauscht. Etliche bedankten sich bei den Akteuren für das Engagement des Vereins.
Ein Aufruf zum Nachdenken und zur Mahnung sollte die Schrifttafel zum Ende des Features sein:
„Es geht nicht nur um die Erinnerung an das Unrecht vor 75 Jahren., es geht um das Bewusstsein einer Gefährdung, von der man weiß. . . , dass es eine Illusion war, zu meinen, der Zivilisationsprozess sei unumkehrbar, von der man also weiß, dass sie immer aktuell bleiben wird“ (Jan Philipp Reemtsma).